Traumflügel

“Traumflügel – Eine wundersame Reise ins Land der Emotionen”

Nelly, die kleine Zauberin, wollte das Besondere zaubern lernen. Ihr Vater, der alte Zauberer, erklärte ihr, dass auch die Zauberei ihre Grenzen hat. Man könne zwar Großes klein, Dickes dünn und Schwarzes weiß zaubern, Nelly aber hatte sich nun einmal in den Kopf gesetzt, Gefühle kennen zu lernen, um Harmonie zaubern zu können. Sie schlug die Ratschläge und Erklärungen des alten Zauberers in den Wind und machte sich auf den Weg zum Bach der Wiederkehr, um sich mit ihrer Freundin, einer Blume, zu besprechen, denn von ihr erhoffte sie sich einen Rat für die Lösung ihres Problems.

Als beide gerade über Gefühle und über die Grenzen der Zauberei sprachen, gesellte sich Sanja dazu. Sanja war ein Pferd mit weißen Flügeln, das die verlorenen Träume der Menschen sammelte und auf dem Weg ins Reich der Emotionen war. Nelly erklärte dem weißen Pferd, dass sie das Besondere zaubern lernen wolle. Das Pferd hörte aufmerksam zu und da es nicht wollte, dass auch Nelly einen Traum verliert, lud es die kleine Zauberin ein, mit ihm gemeinsam auf die Reise ins Reich der Emotionen zu gehen.

©2010 Christel Maria Zwillus

Die Premiere dieses Märchens fand in der Remise des Fördervereins historisches Gatow e.V. in Berlin-Gatow mit der Autorenlesung im Dezember 2010 statt.

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Leseprobe

“[…] Sie waren eine ganze Weile geflogen, als das Pferd plötzlich wieherte und zur Landung ansetzte. Nelly hatte noch lange über das Gespräch mit der Schönheit nachgedacht und ihr wurde bewusst, dass man wirklich viel über die Gefühle wissen muss, um sie zu verstehen. Die kleine Zauberin war neugierig auf den nächsten Besuch und auf das, was weiter geschehen würde. Sie hielten vor einem Zelt aus vielen schillernden grünen Tüchern, die fröhlich im Wind flatterten.

„Steig ab, Nelly,“, sagte das Pferd, „wir sind da.“

„Wo sind wir?“ Nelly schaute sich um.
„Wir sind im Land der Hoffnung. Es ist ein sehr wichtiges Gefühl, denn es wird von allen gebraucht.“, erklärte Sanja.
„Oh!“, sagte die kleine Zauberin. „Ein Gefühl, das von allen gebraucht wird, muss wirklich ein sehr wichtiges Gefühl sein.“
„So ist es.“, pflichtete Sanja ihr bei und beide gingen langsam auf das schillernde Zelt zu. In diesem Moment trat die Hoffnung vor das Zelt. Sie trug ein prächtiges Gewand.
„Guten Tag, Sanja, guten Tag Nelly“, sagte die Hoffnung hoheitsvoll; sie schien sich ihrer großen Beutung sehr bewusst zu sein.
Beide erwiderten ihren Gruß und Nelly fragte neugierig: „Wie hast Du von unserer Ankunft erfahren?“
„Wir fühlen vieles. Aus diesem Grund sind wir ja Gefühle und leben im Reich der Emotionen. Zudem haben mir auch die Schmetterlinge von Eurer Ankunft berichtet.“

Sanja räusperte sich. Sie wollte die kleine Zauberin vorstellen und den plötzlichen Besuch erklären: „Hm, hm. Das ist Nelly, Zastros Tochter. Sie will das Besondere zaubern lernen. Dazu muss sie aber erst lernen zu verstehen. Darum sind wir hier. Sie muss lernen, wie wichtig Gefühle sind und welche Rolle sie spielen. Sie muss begreifen, wie wichtig Du bist und welche Aufgabe Du im Leben der Menschen hast.“

„Oho, Nelly, da hast Du Dir einiges vorgenommen. Das wird eine lange Reise, auf der Du sehr viel lernen wirst.“ Die Hoffnung nickte ihr aufmunternd zu.
„Genau das will ich.“, sagte Nelly. „Sag mir bitte, Hoffnung, warum bist Du so besonders wichtig?“
Die Hoffnung zögerte einen Augenblick, denn es ist nicht so einfach, solche Lebensaufgaben zu erklären.
„Weißt Du, Nelly,“, so begann die Hoffnung, „ich bin an jeder Ecke der Welt zuhause, ich werde von allen gebraucht, zwar von allem, was lebt.“

„Auch von meiner Blume am Bach der Wiederkehr?“, fragte Nelly erstaunt.
„Natürlich.“, entgegnete die Hoffnung. „Auch für Deine Blume bin ich wichtig, denn sie hofft darauf, dass das Schaf sie nicht frisst.“

„Ach so. So ist das also mit der Hoffnung.“, sagte Nelly. „Dann bist Du also auch gut für meine Blume am Bach. Aber ist das denn alles?“, fragte sie zögernd.
Die Hoffnung schüttelte energisch den Kopf. „Oh, nein!“, rief sie bestürzt. „Ich bin das Wichtigste im Leben aller Lebewesen.“

„Aber warum?“, fragte Nelly, denn sie hatte die Hoffnung noch nicht richtig verstanden.

„Ich kann noch viel mehr.“, ereiferte sich die Hoffnung. „Ich schenke schöne Träume und Illusionen und nähre alles, was lebt, durch meine Kraft und Energie. Ich beflügle die Gedanken, lenke die Geschicke und setze die Segel zum Glück. Ich trockne Tränen, schenke den Mutlosen Mut und bringe ihnen ihr Lächeln zurück. Ich bin mit der Ewigkeit auf Du und Du, denn ich bin das Feuer im Herzen der Menschen. Ich nehme dem Leben seine Unerbittlichkeit. Ohne Hoffnung ist man verloren und deshalb muss es mich immer geben. Verstehst Du jetzt, warum ich so wichtig bin?“

Nelly überlegte einen Augenblick, denn es war viel, was die Hoffnung ihr erklärt hatte. „Du wirst es schon noch verstehen.“, wieherte das Pferd und machte sich zum Aufbruch bereit. […]”

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